Schwartz auf Weiß – Der Blog aus der Aula der Weltsynode: Teil 14/2024

Was nehme ich von der Synode mit nach Hause?

Veröffentlicht am 28.10.2024 um 00:01 Uhr – Von Thomas Schwartz – Lesedauer: 

Bonn ‐ Nach vier Wochen ist die Weltsynode am Wochenende zu Ende gegangen. Für Thomas Schwartz ein guter Anlass, um eine Bilanz der Kirchenversammlung zu ziehen. In seinem letzten Blog-Beitrag fragt er sich, ob die Synode ein Erfolg war – und wie es nun weitergeht.

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Vor fast genau einem Monat habe ich in meinem ersten Synoden-Blog davon berichtet, was ich alles nach Rom mitgebracht habe: die Erfahrungen der vergangenen Jahre seit dem Beginn des weltweiten synodalen Prozesses 2021; auch das, was wir in Deutschland in den vergangenen Jahren mit dem Synodalen Weg angestoßen und thematisiert haben. Dazu waren auch die Hoffnungen und Befürchtungen vieler Menschen bei uns daheim in meinem Gepäck dabei. Ich weiß noch, dass ich formulierte, dass ich mich angesichts der Fülle der Erwartungen und Forderungen, die an uns als Teilnehmende und an diese Synode herangetragen wurden, ziemlich überfordert fühlte. Aber ich wusste auch: Es sind die Themen, die das Leben der Kirche nicht nur bei uns, sondern weltweit seit Jahren prägen und uns auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten auf den Fingern brennen werden.

Dennoch war ich ein bisschen skeptisch gestimmt. Deswegen habe ich versucht, für mich und im Blog eine Art Kriterienkatalog für den Erfolg dieser synodalen Versammlung zu formulieren. Dazu gehörten für mich (ich zitiere mich mal selbst – ohne selbstreferentiell sein zu wollen): "Transparenz, Rechenschaftspflicht auf allen Ebenen kirchlicher Entscheidungen, echte Beteiligung und Mitverantwortung der Laien – Männer und (!) Frauen – beim Zustandekommen von Entscheidungen in der Kirche, den Kampf gegen einen selbstreferenziellen Klerikalismus, ernsthaftes Bemühen um eine Veränderung der Priesterausbildung, Offenheit für neue Ämter auch für Frauen, glaubwürdiges Bemühen, niemanden mehr auszugrenzen, ein vertieftes ökumenisches Zeugnisgeben und vor allem ein neues – katholisches – Verständnis von Synodalität im Sinne eines geistlichen Miteinanders aller Getaufter statt eines Gegenüber von Laien und Klerikern und eines vertieften Bewusstseins, dass jedes Amt in der Kirche zuerst und vor allem Dienst und nicht Privileg ist."

Wenn ich meine vor vier Wochen selbst aufgestellten Kriterien zum Maßstab der Bewertung dieser Synode mache, dann ist sie ein Erfolg geworden. All das und noch einiges mehr findet sich im Abschlussdokument der Versammlung wieder. Und es tauchen Dinge in dem Text auf, von denen auch wir in Deutschland wirklich noch profitieren können. So wenn etwa unter Nr. 84 einige Schlüsselelemente für das Gelingen kirchlicher Unterscheidungs- und Entscheidungsprozesse genannt werden. Auch, dass das Schlussdokument echte Perspektiven für eine gelingende Dezentralisierung weist, sehe ich als einen Fortschritt an, der unseren Weg in Deutschland bestärkt. Überzeugt hat mich auch die Sensibilität, mit der der Text die Diversität, die eine globale Kirche schon jetzt prägt, zu beschreiben und positiv zu bewerten versucht. Da wird nicht von "Ungleichzeitigkeiten" gesprochen, was ja stets den Verdacht in sich birgt, nach dem "die anderen einfach noch nicht so weit sind wie wir". Vielmehr spricht man von unterschiedlichen "Rhythmen": "Die Annahme eines synodalen Stils ermöglicht es den Kirchen, sich in unterschiedlichen Rhythmen zu bewegen. Unterschiede im Rhythmus können als Ausdruck legitimer Vielfalt und als Gelegenheit zum Austausch von Gaben und zur gegenseitigen Bereicherung gewertet werden." (Nr. 124)

Thomas Schwartz ist Hauptgeschäftsführer von Renovabis
Bild: ©KNA/Dieter Mayr

Thomas Schwartz ist Priester und Hauptgeschäftsführer des Osteuropa-Hilfswerks Renovabis in Freising. Er hat an der Weltsynode im Vatikan teilgenommen.

Das Bewegendste war aber für mich das, was Papst Franziskus in seinem abschließenden Grußwort zum Ende der Synode gesagt hat: "Und jetzt, im Lichte dessen, was auf dem synodalen Weg herausgekommen ist, gibt es und wird es Entscheidungen geben, die getroffen werden müssen. In dieser Zeit der Kriege müssen wir Zeugen des Friedens sein, auch indem wir lernen, dem Miteinander der Unterschiede eine reale Form zu geben. Aus diesem Grund beabsichtige ich nicht, ein 'Apostolisches Schreiben' zu veröffentlichen, es reicht das, was wir approbiert haben. Das Dokument enthält bereits sehr konkrete Hinweise, die eine Orientierungshilfe für die Sendung der Kirchen auf den verschiedenen Kontinenten und in den unterschiedlichen Kontexten sein können: Deshalb stelle ich es allen sofort zur Verfügung, deshalb habe ich gesagt, dass es veröffentlicht werden soll. Ich möchte auf diese Weise den Wert des abgeschlossenen synodalen Weges anerkennen, den ich mit diesem Dokument dem heiligen und gläubigen Volk Gottes übergebe."

Ich habe meiner Mutter am Samstag am Telefon diesen Abschnitt vorgelesen. Und sie hat mich gefragt: "Und was heißt das jetzt?" Meine Antwort: "Der Papst macht ernst mit der Synodalität. Es gilt das, was wir gemeinsam beschlossen haben, und zwar so, wie wir es beschlossen haben." Denn für ein nachsynodales Schreiben wäre der ganze Text noch einmal durch die Mühlen der römischen Dikasterien gegangen, zerrieben und feingemahlen worden. Was da herausgekommen wäre, wäre sicher die reine Lehre, aber eben auch absolut steril. So viel dazu, was ich an Freude und echter Begeisterung mit nach Deutschland mitnehmen werde. Es ist sogar mehr als ich erwartet habe. Aber wird das reichen?

Am Schluss meines ersten Blogs stand zu lesen: "Ich bin davon überzeugt: Gottes Geist hat einen langen Atem." Gestern, am Tag des feierlichen Gottesdienstes zum Ende der Synode, saß ich noch einmal vor dem Abschlussdokument und las dort auch die Sätze: "Es gibt keinen Grund, warum Frauen keine Führungsaufgaben in der Kirche übernehmen sollten: was vom Heiligen Geist kommt, kann nicht aufgehalten werden. Auch die Frage des Zugangs von Frauen zum diakonischen Dienst bleibt offen." (Nr. 60) Da habe ich gemerkt, wie sich Enttäuschung bei mir ausbreitete und ich mich fragte: Dafür waren wir jetzt zweimal vier Wochen zusammen? Ich sehe nun viele meiner Bekannten in Deutschland vor meinem geistigen Auge, die sich und mich dasselbe fragen werden. Und ich kann sie verstehen. Und dennoch meine ich, dass wir es selbst in der Hand haben, solche Aussagen zu deuten. Ich kann mich davon enttäuschen lassen, denn ja: es ist viel zu wenig für die vielen Frauen, die um ihre Berufung wissen!

Aber ich kann mich auch darauf stützen und sagen: Zum ersten Mal haben fast drei Viertel aller Synodenmitglieder miteinander festgestellt, dass der Zugang der Frauen zum diakonalen Dienst offen ist. Keine Causa finita! Solche Mehrheiten hätten viele Politiker und auch viele Synodale in Deutschland bei manchen Themenkreisen gerne gehabt! Dann liest sich der Satz: "Was vom Heiligen Geist kommt, kann nicht aufgehalten werden", auch nicht mehr zynisch, sondern hoffnungsvoll. Und diese Hoffnung packe ich mir jetzt in meinen Koffer und nehme sie mit nach Hause.

Von Thomas Schwartz

Hinweis

Pfarrer Thomas Schwartz ist Hauptgeschäftsführer des Osteuropa-Hilfswerk Renovabis und Teilnehmer bei der Weltsynode in Rom. In seinem Blog schreibt er in regelmäßigen Abständen über seine Erlebnisse und Eindrücke. – Renovabis hat seit 1993 zur Erneuerung von Kirchen und Gesellschaften in 29 Ländern Mittel- und Südost- Osteuropas beigetragen. Bis heute wurden dabei mit rund 870 Millionen Euro mehr als 26.000 Projekte von Partnerorganisationen vor Ort unterstützt.